Eine Verpackungsanlage in Würenlingen, aber kein Endlager im Bözberg: Nagra-Chef Matthias Braun erklärte der Regionalkonferenz Jura Ost die Gründe für den Standortvorschlag. Ob es die Konferenz als Interessenvertretung von Bevölkerung und Region künftig noch gibt, ist eher fraglich.
Es war die 36. Vollversammlung der Regionalkonferenz Jura Ost, die am Donnerstag in der Trotte Villigen stattfand – und vielleicht war es die zweitletzte. Denn die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) will das Atomendlager in Stadel ZH im Gebiet Nördlich Lägern bauen – und nicht im Bözberg. Damit ist Jura Ost, wie die Nagra die Region offiziell nannte, kein Standortgebiet für ein Tiefenlager.
Präsident Ueli Müller sagte, derzeit sei eine Mehrheit des Vorstands für die Auflösung des Vereins, der knapp 100 Mitglieder zählt. Ob die Regionalkonferenz Jura Ost, die am 18. Juni 2011 gegründet wurde und seither die Interessen der Region im sogenannten Sachplanverfahren geologische Tiefenlager vertrat, tatsächlich aufgelöst wird, entscheidet sich an der nächsten Versammlung im Januar 2023.
An der Versammlung in Villigen, die mit 68 Teilnehmenden gut besucht war, erläuterte Nagra-Chef Matthias Braun, warum das Endlager nicht im Bözberg, die Verpackungsanlage für die stark strahlenden Brennstäbe aus den Atomkraftwerken aber beim heutigen Zwischenlager in Würenlingen geplant ist.
Jura Ost schnitt gegenüber dem vorgeschlagenen Standortgebiet Nördlich Lägern bei mehreren Kriterien schlechter ab: Wasserführende Schichten sind im Bözberg näher am Opalinuston, in dem das Lager gebaut werden soll, als in Stadel. Im Gebiet Jura Ost könnte das Lager weniger tief angelegt werden – harte, erosionsbeständige Schichten, die darüber liegen, sind zudem dünner als in Nördlich Lägern. Und der geeignete Bereich ohne Störungen und Deformationszonen im Gestein im Bözberg kleiner als im Zürcher Unterland.
Aus der Versammlung gab es zum Endlager nur eine kritische Frage: Eine Frau sagte, es störe sie, dass die Nagra so tue, als ob alle Probleme gelöst seien. Dabei gebe es einige offene Fragen, zum Beispiel bei der Wärme- und Gasentwicklung der eingelagerten radioaktiven Abfälle. Nagra-Chef Braun sagte, bei diesen Aspekten sehe er kaum Fragezeichen, hingegen seien betriebliche Fragen offen: Ob die Abfälle mit Rad- oder Schienenfahrzeugen in die Tiefe gelangten, oder ob man nur Roboter einsetzen und auf Menschen verzichten könne.
Mehr Fragen gab es zum Standort der Verpackungsanlage in Würenlingen, der im Gebiet der Regionalkonferenz liegt. So liess der ehemalige SP-Nationalrat Max Chopard, der den Verein «Kein Atommüll im Bözberg» präsidiert, das Argument nicht gelten, beim Zwischenlager (Zwilag) sei die Sicherheit durch eine 24-Stunden-Überwachung gewährleistet.
Das wäre auch der Fall, wenn man die Verpackungsanlage am Standort des Endlagers bauen würde: «Das muss während der Phase, wenn die Abfälle eingelagert werden, auch durchgehend in Betrieb und gesichert sein», argumentierte Chopard.
Grünen-Grossrat Robert Obrist hätte sich eine klarere Positionierung der Regionalkonferenz und des Kantons – auch Energiedirektor Stephan Attiger war anwesend – gegen den Standort Würenlingen gewünscht. Immerhin habe sich die Mehrheit der Konferenz dagegen ausgesprochen, dies sei nach dem Vorschlag der Nagra für Würenlingen zu wenig stark zum Ausdruck gekommen.
Severin Wälchli, Bereichsleiter und Chefingenieur bei der Nagra, gab bereits Details zum Betrieb der Verpackungsanlage bekannt. Er geht davon aus, dass zwischen 2050 und 2065 täglich drei Lastwagen mit mittelaktivem Abfall von Würenlingen nach Stadel fahren werden. Zwischen 2060 und 2075 dürfte es ein Transport pro Woche mit stark radioaktivem Abfall sein.
Auch für die Verpackungsanlage in Würenlingen braucht es ein Rahmenbewilligungsgesuch, das 2024 vorliegen soll. Regionalkonferenz-Präsident Ueli Müller schlug vor, im Hinblick darauf eine Arbeitsgruppe mit Vertretern von Würenlingen, Böttstein, Döttingen und Villigen zu bilden.
Eine Frau aus dem grenznahen süddeutschen Raum fragte, ob eine deutsche Beteiligung vorgesehen sei. Schliesslich sei Deutschland von der Verpackungsanlage betroffen. Stefan Jordi, Leiter Regionale Partizipation im Bundesamt für Energie, kann sich dies vorstellen. Grundsätzlich gehe es aber eher darum, dass direkt angrenzende Gemeinden vertreten seien.